Mit der Ausstellung per aspera ad astra zeigt die Reflector Gallery vom 8. bis 22. November 2024 im Kunstraum Oktogon in Bern Auszüge aus dem kurzen, doch beindruckend dichten Lebenswerk des Malers Tomas Kratky (1961–1988) in Begegnung mit den figurativen Malereien der zeitgenössischen Künstlerin Wera Grzes (geboren 1996 in Poznań).
Kratky prägte die Berner Kunstszene der 1980er-Jahre durch seine radikal gestische Bildwelt bis zu seinem frühen Tod im Alter von 27 Jahren. Erstmals nach 36 Jahren wird das Werk von Tomas Kratky wieder von einer Berner Kunstgalerie offiziell vertreten. Der Anlass markiert zugleich den Beginn der Nachlassverwaltung, die der Reflector Gallery von der ART-Nachlassstiftung für Kunstschaffende Bern übertragen wurde.
Noch heute strahlt Tomas Kratkys Werk aus und findet Widerhall bei zahlreichen Künstler:innen. Die Ausstellung per aspera ad astra – lat. „durch das Raue zu den Sternen“ – rückt Kratkys körperbetonte Bildsprache durch die Gegenüberstellung mit den Porträtstudien der in Bern angesiedelten Wera Grzes in den Fokus und schafft damit einen Raum poetischer und transfigurativer Beziehungen.
Die Malereien und Aquarelle von Wera Grzes umfassen in ihrer abstrakt-figürlichen Darstellung Reflexionen zur fluiden Konsistenz des Körpers und dessen weiblicher Repräsentation. Die Definition von körperlicher Präsenz im Gefüge von An- und Abwesenheit ist hierbei substanziell. So hat Grzes eine umfangreiche Serie an Aquarellarbeiten auf Papier geschaffen, die auf einer Porträtfotografie ihrer Schwester basieren, aber im Akt des Malens und in Rückkopplung zu situativen Assoziationen der Künstlerin von einer expressiv-gestischen Formensprache bestimmt sind. Aus der Korrelation zwischen Vorlage und Vorstellung gehen differenzierte Mimiken hervor, in denen Wera Grzes die Transformation vom Gegenüber hin zum Selbstporträt verhandelt. Die Ausstellung stellt einige Werke dieser Reihe vor, wie auch in Ölfarbe gemalte Doppelporträts, die die Künstlerin und eine mit ihr befreundete Künstlerin zeigen. Farbige Linien und Flächen skizzieren dort Räume des gesehenen, gefühlten, geteilten und erinnerten Körpers. Eine weitere Werkreihe besteht aus Aktdarstellungen, bei denen nur Körperfragmente zu erkennen sind. Wera Grzes verhandelt das Porträt und das Selbstporträt als Selbstbefragung sowie in Ausweitung zu zwischenmenschlichen Beziehungen: als Wahrnehmungsbetrachtung des (eigenen) Körpers in Relation zu einem Gegenüber oder inmitten einer Situation, die ihn transfiguriert.
Hierdurch steht die Malerei von Wera Grzes in unmittelbarer Verwandtschaft zu jener von Tomas Kratky, der – als er starb – so alt gewesen ist wie Grzes zum jetzigen Zeitpunkt ihres Lebens. Kratky begann als Autodidakt und entwickelte in nur sieben Jahren ein stilprägendes Œuvre aus 47 Gemälden sowie zahlreichen Zeichnungen und Skizzen. Vielmals legte er seine Bildwerke als Triptychen an, über die er narrative Sequenzen zwischen Leben, Bewusstsein und Endlichkeit verhandelte. Die Ausstellung vereint entlang des Topos Porträt sowohl schroffe Kohlezeichnungen auf Papier als auch Aquarelle und Malereien in Mischtechnik, die Körperbilder in fragender, trauernder, neugieriger, reflektierenden oder in räumlich verorteten Posen zeigen. per aspera ad astra unterstreicht im Heranziehen der Arbeiten von Wera Grzes dabei einmal mehr die Aktualität der Bildsprache Tomas Kratkys.
Im Rahmen der Ausstellung wird die Publikation Tomas Kratky – Ein langer Weg in kurzer Zeit vorgestellt, die unter der Herausgabe von Filip Haag und Sebastian Winkler im Bieler Verlag Edition Haus am Gern erscheint. Sie steht in Bezug zur gleichnamigen Retrospektive, die bereits zu Beginn des Jahres im Kunstraum Bern Bümpliz und in der Villa Renata in Basel zu sehen war und die Bedeutung des Künstlers im Kontext seiner Generation beleuchtete.
Text: Christina Irrgang, 2024
Ort: Zu Gast im Kunstraum Oktogon, Aarstrasse 96, 3005 Bern
Vernissage: Freitag 8.11. 17 – 20 Uhr
Buchvernissage «Tomas Kratky – Ein langer Weg in kurzer Zeit»: Samstag 16.11. 17 Uhr
Finissage: Freitag 22.11. 17 – 19 Uhr
Öffnungszeiten: Donnerstag 17.30 – 19 Uhr Freitag 16 – 19 Uhr Samstag 15 – 18 Uhr
Bild: Tomas Kratky, Ohne Titel, 1986, Öl auf Baumwolle, 230 x 209,5 cm (zweiteilig)© ART-Nachlassstiftung Bern